Nachehelicher Unterhalt orientiert sich am ursprünglichen Heimatland
Veröffentlicht am 26.11.2015
Siedelt eine Ausländerin erst zur Eheschließung nach Deutschland über, hat sich bei einer späteren Scheidung der nacheheliche Unterhalt durch den Mann nicht an der Lebenssituation zu orientieren, die hierzulande möglich gewesen ist, so ein Urteil des Bundesgerichtshofes.
Maßgebend sind vielmehr die hypothetischen Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten in der einstigen Heimat, selbst wenn der Vergleich mit der dortigen Lebenslage bedeutend schlechter ausfallen sollte.
Der Sachverhalt zum Urteil
Nach einer Mitteilung der Deutschen Anwaltshotline verlangte eine aus der Ukraine stammende Frau nach der Scheidung von ihrem deutschen Mann eine Fortschreibung des während der gemeinsamen Jahre in Deutschland gewohnten hohen Lebensstandards.
Alles andere liefe auf einen gesetzwidrigen ehebedingten Nachteil hinaus, da sie ja durch die ihr mit der Ehe zugewiesene Rolle als Hausfrau daran gehindert worden war, sich durch Fortbildung oder Umschulung für den deutschen Arbeitsmarkt zu qualifizieren, und sie sich so kein eigenes berufliches Standbein in der neuen Heimat schaffen konnte.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass sich der angemessene Lebensbedarf des aus dem Ausland stammenden Ehegatten, der ohne die Ehe sein Heimatland nicht verlassen hätte, nach den Möglichkeiten richtet, die sich ihm bei einem Verbleib dort hinsichtlich seiner Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten geboten hätten. Es ist zu prüfen, über welche Einkommensverhältnisse die Frau heute verfügen würde, wenn sie in der Ukraine verblieben wäre. Zudem habe sie keinen Unterhaltsbedarf wegen eines ehebedingten Nachteils, sondern eher wegen eines Entgehens von Erwerbschancen, die sich ihr – als ehebedingter Vorteil – mit ihrer Übersiedlung nach Deutschland hätten eröffnen können. Ihr angemessener Lebensbedarf bestimmt sich daher nicht auf eine fiktive Erwerbsbiographie, die erst mit ihrer Übersiedlung nach Deutschland ansetzt.
Das von der ausländischen Ehefrau in ihrem Heimatland hypothetisch erzielbare Einkommen ist allerdings im Hinblick auf die Kaufkraftunterschiede an das deutsche Preisniveau anzupassen. Die Angemessenheit ihres Lebensbedarfs richtet sich insoweit nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB. Es muss sich also um einen Bedarf handeln, der das Existenzminimum hier in Deutschland mindestens erreicht, welches unabhängig vom Herkunftsland nicht unterschritten werden darf. Dieser Bedarf entspricht dem in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte ausgewiesenen notwendigen Eigenbedarf (Selbstbehalt) eines nicht erwerbstätigen Unterhaltsschuldners. Er beträgt gegenwärtig seit dem 01.08.2015 880,00 €.
Diesen Bedarf kann auch ein im Hinblick auf die Eheschließung in Deutschland ansässig gewordener Ehegatte als Mindestbedarf verteidigen, weil der unterhaltspflichtige Ehegatte ihn nicht auf eine Rückkehr in sein Heimaltland und das dortige Existenzminimum, das niedriger als in Deutschland sein könnte, verweisen kann.
Ein ehebedingter Nachteil allerdings kann sich hier für die Ehefrau nur ergeben, wenn sie ihr unterhaltsrechtliches Existenzminimum nicht zu sichern vermag, obwohl sie einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachgeht oder bei gehöriger Erfüllung ihrer Erwerbsobliegenheit nachgehen könnte. Vorliegend kann die Frau angesichts ihrer Vorbildung und ihrer in Deutschland erworbenen guten Sprachkenntnisse bei entsprechenden Erwerbsbemühungen durchaus eine angemessene Tätigkeit ausüben. Bei der Bemessung eines möglichen nachehelichen Unterhaltes sind der Frau daher fiktive Einkünfte in Höhe des notwendigen Selbstbehaltes zuzurechnen, so dass ihr im Rahmen der nachehelichen Solidarität dann ein sogenannter Aufstockungsunterhalt zustehen kann. Das Maß der nachehelichen Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch den Verzicht der Ehefrau auf eine eigene Erwerbstätigkeit und hier insbesondere dadurch eingetreten ist, dass sie zum Zwecke der Eheschließung ihr Heimatland verlassen hat.
Rechtsgrundlagen:
BGB § 1578 b
Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.01.2013 – XII ZR 39/10
(Quelle: Deutsche Anwaltshotline, openjur.de)
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