Zur Erforderlichkeit der Aufschlüsselung der Vorauszahlungsbeträge im preisgebundenen Wohnraum
Veröffentlicht am 23.03.2010
Kritische Anmerkungen zum BGH-Urteil vom 13.01.2010 (VIII ZR 137/09)
Gemäß § 20 Abs. 1 S. 3 Neubaumietenverordnung (NMV) sind im preisgebundenen Wohnraum die Betriebskosten nach Art und Höhe dem Mieter bei der Überlassung der Wohnung mitzuteilen. Nach der bisherigen herrschenden Meinung in der Literatur und in der Rechtsprechung der Instanzgerichte folgt aus dieser Vorschrift, dass jeder Betriebskostenart ein Vorauszahlungsbetrag zugeordnet werden muss; andernfalls sei keine wirksame Umlage erfolgt (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.3.1997, Az.: 5 UH 1/97 in: WuM 1997, 609 = NJW-RR 1998, 12, 13; LG Berlin, Urt. v. 23.4.2007, Az.: 62 S 28/07, in: GE 2007, 913; LG Berlin, MM 1993, 30; LG Hamburg, ZMR 2005, 620, 621; LG Mannheim, WuM 1994, 693, 694; LG Köln, Urt. v. 31.1.1991, Az.: 6 S 261/90, in: WuM 1991, 259; AG Hildesheim, WuM 1989, 636; AG Charlottenburg, Urt. v. 22.11.2005, Az.: 216 C 115/04; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rdnr. V 130; Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohnraum- und Geschäftsraummiete, 3. Aufl., Kap. III. A Rdnr. 35; Kinne in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 5. Aufl., § 556 Rdnr. 10; Heitgreß, WuM 1984, 263 f.; Blum, WuM 2006, 656 f.) Diese Rechtsauffassung wird vom Bundesgerichtshof (BGH) nicht geteilt.
Der BGH hat mit Urteil vom 13. Januar 2010 (Az.: VIII ZR 137/09) entschieden, dass der Vermieter im preisgebundenen Wohnraum zur Geltendmachung von Betriebskosten die voraussichtlichen Kosten nicht für jede Betriebskostenart gesondert aufschlüsseln muss. Nach Ansicht der Karlsruher Richter genügt es, wenn der Vermieter den Umfang der umzulegenden Betriebskosten durch Bezugnahme auf die Anlage 3 zu § 27 II. Berechnungsverordnung umschreibt und die Höhe der ungefähr zu erwartenden Kosten durch den Gesamtbetrag der geforderten Vorauszahlungen mitteilt. Nach Ansicht der Richter ergebe sich die Notwendigkeit einer Aufschlüsselung der Vorauszahlungen auf die einzelnen Betriebskosten weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 20 Abs. 1 NMV. Für den Mieter komme es entscheidend auf die Summe der Nebenkosten an, die er voraussichtlich zu tragen hat. Dagegen sei die Aufschlüsselung von Vorauszahlungen auf die einzelnen Betriebskostenarten für die Kalkulation des Mieters regelmäßig von untergeordnetem Interesse.
Zwar ist dem BGH dahingehend zuzustimmen, dass es für den Mieter in erster Linie auf die Summe der Nebenkosten ankommt, die er voraussichtlich tragen soll. Jedoch hat er auch ein nicht unerhebliches Interesse an der Aufschlüsselung von Vorauszahlungen auf die einzelnen Betriebskosten. Durch die Zuordnung kann der Mieter überprüfen, ob der vereinbarte Vorauszahlungsbetrag den voraussichtlich anfallenden Kosten entspricht oder ob es sich möglicherweise nur um ein sog. „Lockangebot“ handelt. Denn grundsätzlich darf der Vermieter auch zu niedrige Vorauszahlungen verlangen. Der Mieter kann nicht darauf vertrauen, dass die Vorauszahlungen den voraussichtlichen Abrechnungsbetrag annähernd erreichen (BGH, Urt. v. 11.02.2004, VII ZR 195/03). Anders als im preisfreien Wohnraum besteht im preisgebundenen Wohnraum aber kraft Gesetzes eine Aufklärungspflicht über Art und Höhe der Betriebskostenvorschüsse. Der Mieter einer Sozialwohnung soll durch die vorherige Bekanntgabe der detaillierten Zusammensetzung des Entgelts vor unerwartet hohen Betriebskostennachzahlungen geschützt werden. Die weite Auslegung des § 20 Abs. 1 S. 3 NMV durch den BGH wird nach hiesiger Auffassung dem Schutzzweck der Norm nicht gerecht. Es besteht die Gefahr, dass die Norm praktisch leer läuft.
Wichtiger Hinweis: Der Artikel dient ausschließlich der allgemeinen und persönlichen Information. Er kann die individuelle Beratung und Beurteilung der Sach- und Rechtslage des konkreten Einzelfalls nicht ersetzen. Der Autor übernimmt auch keinerlei Gewähr und keine Haftung, die aus einer Verwendung der bereitgestellten Informationen resultieren. Der Autor gibt weder rechtliche noch steuerrechtliche Empfehlungen, mit denen eine Mandatsbeziehung begründet wird. Dessen ungeachtet sind sämtliche Informationen mit größter Sorgfalt und bestem Wissen und Gewissen erhoben und weitergegeben worden.